Eiger Ultra Trail by UTMB®: 250 Kilometer, 60 Stunden, 1 Abenteuer

Eiger Ultra Trail by UTMB®: 250 Kilometer, 60 Stunden, 1 Abenteuer

Mit 250 Kilometern und 15.000 Höhenmetern gilt die Strecke E250 im Rahmen des Eiger Ultra Trail by UTMB® als harte Prüfung für alle Teilnehmenden. Nur sicherheitshalber: Die Strecke wird nicht etwa am Rad, sondern tatsächlich laufend zurückgelegt. Für viele ist das nicht nur aufgrund der Distanz und der Höhenmeter, sondern auch aufgrund der technischen Ansprüche im Gebirge und schon allein wegen der Renndauer absolut unvorstellbar. Unser Stefan hat sich der Herausforderung gestellt und sie mehr als erfolgreich gemeistert. Und weil es so schwer in Worte zu fassen ist, was er da eigentlich geleistet hat, war er so nett und hat selbst für uns ein bisschen etwas zusammengeschrieben. Wir übergeben daher das Wort gleich an ihn, wünschen viel Spaß beim Lesen – und gratulieren vor allem ganz ganz herzlich zu dieser unfassbaren Wahnsinnsleistung!

Wie fasst man am besten einen solch langen Lauf zusammen? Gar nicht so einfach (auch um die Eindrücke der langen Zeit noch etwas geordnet und richtig wiederzugeben…), aber ich versuch’, ein bisschen Einblick zu geben.

Eiger Ultra Trail by UTMB®: 250 Kilometer, 60 Stunden, 1 Abenteuer

Der Start wäre ursprünglich für Mittwoch um 8:00 geplant gewesen. Aufgrund der schlechten Wetterprognose wurde er auf 10:00 verschoben und die Route geändert. Wir durften nicht unterm Eiger vorbei, sondern mussten einen Umweg laufen und hatten durch den neuen Downhill zu Beginn ein paar Kilometer mehr, dafür auch etwa 1000 Höhenmeter weniger zu bewältigen.

Ich startete in einem 3er Team mit Elli und David. Bei diesem Bewerb sind nur 2er oder 3er-Teams zugelassen – alleine darf man nicht unterwegs sein. Für uns war klar, dass wir die ca. 250 km und 15.000 Höhenmeter unbedingt gemeinsam ins Ziel bringen wollen – wenn alles gut läuft, in 60 Stunden.

Der erste Tag und die erste Nacht waren von Unwettern begleitet. Teils strömender Regen, Gewitter, Hagel (mit Körnern, die irgendwo zwischen Murmel und Golfball einzuordnen sind) machten es echt alles andere als einfach. Der Hagel erwischte uns nach einem heftigen Regen mitten im Gelände und dauerte etwa 10-15 Minuten, viele Wege waren zu dem Zeitpunkt schon Bäche geworden. Trotz Plastiksackerl im Rucksack wurde alles nass – inkl. elektronischer Geräte. Die Stirnlampe zickte in der ersten Nacht dadurch herum und ich musste aufs Ersatzgerät wechseln. Zwischendurch gab es glücklicherweise, wie man auf den Fotos sieht, auch trockene Phasen, aber oft lief es mit dem Wetter wirklich blöd.

Nach 60km kamen wir gegen Abend zur ersten Lifebase, dort war das Rennen bereits zum zweiten Mal aufgrund des schlechten Wetters für einige Zeit unterbrochen. Sie wollten abwarten, bis die schlimmste Front vorbeizog.

Als das Rennen wieder freigegeben war und wir uns versorgt hatten, brachen wir zum Lötschenpass, der auf etwa 2.700m liegt, auf. Erst war es wieder trocken, aber als wir oben aufs Schneefeld kamen, regnete es stärker und wir hatten dann auch ganz plötzlich Blitz und Donner total nah an uns, als wir gegen Mitternacht kurz vor der höchsten Stelle waren und gerade am Felsen inkl. angebrachtem Stahlseil entlang mussten. Der Abstand zwischen Blitz und Donner war weniger als eine Sekunde. Das war schon ein wirklich zacher Moment, als wir da zitternd im strömenden Regen und starken Wind standen und nur hofften, dass das Gewitter schnell weiterzieht und wir unversehrt bleiben. Oben am Lötschenpass angekommen waren wir heilfroh über die inoffizielle Versorgungsstation auf der Lötschenpasshütte – der Tee und die warme Stube waren unsere Lebensretter. Das war mal so die erste wilde Action, im anschließenden Downhill zur 2. Lifebase bei KM 95, Jeizinen, ging es wieder besser.

Dort kamen wir in den frühen Morgenstunden an, Elli hatte durch die nassen und aufgeweichten Schuhe und Socken schon ziemliche Troubles mit den Füßen, ich kämpfte gerade mit Übelkeit. Wir machten ein bisschen länger Pause als geplant und nahmen Unterstützung der großartigen Helfer:innen vor Ort an – Elli bekam sogar Socken geschenkt, weil sie keine in diesem Dropbag platziert hatte. A Wahnsinn die Leute dort!

Weiter ging es nach Finnen – dort rüber zog es sich ziemlich. Bei mir selbst war der Saft draußen nach den ersten 24h, Elli kämpfte sich mit schmerzenden Füßen tapfer voran und versuchte uns nicht merken zu lassen, wie es ihr wirklich ging. Wir waren jedenfalls deutlich langsamer als gewohnt. Als wir endlich dort bei KM 120 ankamen, ließ Elli sich sofort ihre Füße checken. Kurze Zeit später sagte sie uns, dass sie nicht mehr weiter kann. Sie ist eine unglaubliche Kämpferin – es fiel ihr total schwer und sie ließ sich sogar noch auf unseren Vorschlag ein, dass sie sich nochmal 1-2 Stunden hinlegen soll und abwarten, ob es besser wird, aber es half alles nichts. Der Eiger ist der erste Bewerb, den sie nicht ins Ziel brachte, ihr allererstes DNF. Zudem war sie auch die Verbindungsperson zwischen David und mir – wir kannten uns nur über Elli.
Nach den ca. 2 Stunden Pause stand also fest, dass wir zu zweit fortsetzen – der Abschied fiel unglaublich schwer.

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Es ging wieder 800 Höhenmeter aufwärts, auf die Belalp (KM 135). Wir gaben wieder mehr Gas, nachdem sich die längere Pause zumindest auf den Energiehaushalt positiv ausgewirkt hatte. Die Belalp hatte ein Special: Frische Pizza aus dem Steinofen. Gestärkt ging es weiter zum Aletsch-Gletscher, inkl. vieler Höhenmeter, langer Hängebrücken und einem traumhaften Blick auf den Gipfel des Matterhorns.
Der Downhill vom Gletscher war brutal anstrengend – total technisch, große Stufen, zwischendurch auch immer wieder Anstiege und nicht enden wollend. Wir waren beim Abstieg bereits in der zweiten Nacht und ich hatte, nachdem es bisher keine Schlafpause gab, schon ziemlich mit Müdigkeit inkl. Sekundenschlaf während des Laufens zu kämpfen. Als wir gegen Mitternacht endlich in Bellwald (KM 164) ankamen, entschlossen wir uns, uns nach dem Essen und Umziehen für 2 Stunden hinzulegen. Die Wecker waren auf halb 3 gestellt und nachdem das schwere Aufstehen nach der kurzen Schlafdauer geschafft war, liefen wir los. Die Pause hatte sich bezahlt gemacht, wir waren nach kurzer Zeit putzmunter und hatten wieder enorm viel Energie. Es ging richtig gut, im folgenden 26 Kilometer langen Abschnitt bis Münster (KM 190) nahmen wir einem anderen Team, das zeitgleich mit uns in Bellwald startete, immerhin 30 Minuten ab. Da es so gut ging, wollten wir auch die 60h gesamt, die zuvor durch die ungeplanten Verzögerungen aus dem Fokus verloren gingen, wieder ins Visier nehmen.

Nach kurzer Pause in Münster ging es rauf auf den Grimselpass (KM 205). Wir waren etwa zur Mittagszeit am inzwischen dritten Tag dort. Nachdem der zweite Tag vom Wetter her wechselhaft, insgesamt aber recht angenehm war, war Tag 3 das krasse Gegenteil zu Tag 1: brutale Hitze. Der Downhill vom Grimselpass nach Geissholz dauerte 30 Kilometer und war wieder richtig heftig: Er zog sich durch ein felsiges Tal und entweder der Untergrund war total schwierig und nicht wirklich laufbar (technisch, hohe Stufen, ging total auf die Knie,…) oder direkt an der Straße entlang. Wir waren da während der Nachmittagshitze und durch Fels und Asphalt hatte es gleich nochmal einige Grad mehr. Das ging wieder sehr an die Substanz und ich war enorm froh um David, der mich da gut mitzog und durchbrachte. Meine Knie waren zu dem Zeitpunkt schon sehr beleidigt, die Kraft war wieder weg, alles war nur noch mühsam. Nach etwa fünfeinhalb Stunden Quälerei in Geissholz (KM 235) angekommen gönnten wir uns in einem Gasthaus ein eiskaltes Spezi (vermutlich das beste meines Lebens – und fix das teuerste), bevor es zur letzten Lifebase ging, die etwa 200 Meter höher als der Ort lag.
Wir ließen es uns nochmal gut gehen (Reis mit Gemüse, selbstgemachter Eistee von den wunderbaren Betreuern dort), bevor es in den letzten langen Anstieg ging. 

Wir mussten richtig pushen, um die 60 Stunden zu schaffen und ich war hoch motiviert, mich bei David für die vielen Stunden, an denen er mich mitzog, zu revanchieren. Also drückte ich die ca. 1000 Höhenmeter bergauf nochmal richtig drauf und – keine Ahnung wo die Kraft zu diesem Zeitpunkt herkam – es gelang mir, durchgehend ein Lauftempo vorzulegen, mit dem David zu kämpfen hatte. Ich blieb immer einige Meter vor ihm, um ihn eben dieses eine Mal zu ziehen, und es klappte hervorragend. Wir waren unglaublich schnell und nahmen dem Team, das einen Platz hinter uns finishte, zwischen der letzten Lifebase und dem Ziel ungefähr 2 Stunden ab.
Oben angekommen ging es in den letzten Downhill. Dieses Mal waren es Davids Knie, die nicht mehr mitspielten und wir mussten etwas gemächlicher runter, trotzdem schafften wir es nach 60 Stunden und 30 Minuten, die Ziellinie auf dem 7. Gesamtrang zu überqueren.

Eiger Ultra Trail by UTMB®: 250 Kilometer, 60 Stunden, 1 Abenteuer
Eiger Ultra Trail by UTMB®: 250 Kilometer, 60 Stunden, 1 Abenteuer

Anzeige ist hier falsch – es ist Rang 7.

Es bleibt schon ein weinendes Auge, dass wir es nicht zu dritt ins Ziel geschafft haben – aber so ist Ultra. Es gibt so viele unterschiedliche Faktoren, die mitwirken, so viele unterschiedliche Phasen im Rennen – Hochs und Tiefs. Auch aus den bitteren Erfahrungen lernen wir – oft mehr als aus den guten.

Eiger Ultra Trail by UTMB®: 250 Kilometer, 60 Stunden, 1 Abenteuer

Bzgl. der Verpflegung ergänze ich noch, dass ich mir ziemlich schwer getan hab, die notwendige Sportnahrung runter zu bringen. Dadurch, dass es bei den Lifebases aber immer “richtiges” Essen gab, bin ich trotzdem gut durchgekommen. Die warmen Mahlzeiten (Gemüsesuppe mit Brot, Pasta mit Tomatensauce, Reis mit Gemüse, Pizza, Kartoffeln,…) haben mir immer richtig Energie gegeben und dadurch habe ich die unzureichende Sportnahrung gar nicht so sehr gemerkt.

Es war brutal, aber auch brutal geil. Viel Kampf, viel Freude und Spaß, wir haben als Team super funktioniert und haben uns nach der Heimreise total im Guten verabschiedet – was mir genauso viel bedeutet wie das Finish. Nach so einer intensiven, langen, ununterbrochenen gemeinsamen Zeit ist das alles andere als selbstverständlich. 

Zu realisieren was man da geleistet hat, braucht wohl etwas – als Hobbysportler schon eine extreme Distanz. Gleichzeitig hatte ich das ganze Rennen irgendwie nie ernsthaft Zweifel, dass ich es ins Ziel bringen würde. Ich bin davon überzeugt, dass man an solchen Wettkämpfen wächst und bin gespannt, was die nächsten größeren Bewerbe bringen. 

Für mich geht’s jetzt mal in ruhigere Monate mit zwei “kürzeren” Trainings-Bewerben, bevor im November mit dem Kullamannen (100 Meilen) in Schweden mein 3. Jahreshighlight wartet.

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