Gastbeitrag
von Sandrina Illes
Je nach Sportart gibt es einen bestimmten Temperaturbereich für optimale Leistungsfähigkeit. Dieser ist von Person zu Person geringfügig unterschiedlich und auch durch Training unter entsprechenden Hitze- oder Kältebedingungen in gewissem Rahmen verschiebbar. Irgendwann ist aber die Grenze der Kompensation bei jedem erreicht.
Die Sommer werden immer heißer und so werden wir nicht nur Wettkämpfe, sondern auch entsprechend viele Trainings unter Hitzebedingungen absolvieren müssen. Bei muskulärer Aktivität entsteht als Abfallprodukt zusätzliche Wärme – je mehr Muskeln gleichzeitig aktiviert sind und je höher die Belastungsintensität ist, desto mehr. Daher ist man bei kontinuierlicher hoher Belastung ohne Pausen besonders hinsichtlich Überhitzung gefährdet. Bei den Ausdauersportarten ist das beim Laufen besonders ausgeprägt, da man einerseits im Vergleich zum Radfahren mehr Muskelgruppen nutzt und auch der Fahrtwind weniger stark zur Kühlung beiträgt. Außerdem ist man als Langstreckenläufer viel im Bereich der Dauermethode unterwegs, im Gegensatz zum Sprinter, der mit der Kombination aus sehr kurzen Belastungen und langen Pausen mit hohen Temperaturen etwas besser umgehen kann.
Im Gesundheitssport wird meist von hohen Belastungen bei Hitze abgeraten, allerdings verliert man dabei über den Sommer dann stark an Leistungsfähigkeit. Zudem schließt es sich für mich aus, im Training bei Hitze nur im Grundlagenbereich zu trainieren oder auf kühlere Tagesrandzeiten oder gar Indoor-Training in klimatisierten Studios auszuweichen, dann aber bei Wettkämpfen bei Hitze zu starten. Man muss dem Körper die Möglichkeit geben, zu adaptieren und man muss vor allem auch Erfahrungen im Training sammeln, wie man mit der Hitze am Besten umgehen kann und das Pacing entsprechend anpasst.
Die erste Überlegung muss sein, ob ich mich bei hohen Temperaturen stark belasten möchte und das mit meiner Herz-Kreislauf-Gesundheit grundsätzlich in Einklang zu bringen ist (bei Vorerkrankungen Abklärung beim Internisten!)
Dann braucht es auch Jahr für Jahr etwas Zeit, um zu adaptieren. Zierliche Personen mit einem geringen Body-Mass-Index (wenig Körperfett, aber auch nicht allzu viel Muskelmasse) kommen tendenziell besser mit hohen Temperaturen zurecht als Sportler mit mehr Körpermasse (Muskelmasse erzeugt viel Wärme bei Aktivität und Körperfett isoliert – gut im Winter, schlecht im Sommer!).
Dann gibt es sicherlich auch eine gewisse genetische Komponente oder auch den Punkt der Vorerfahrung – bin ich in warmem oder kaltem Klima aufgewachsen, habe ich in früheren Sommern schon gezielt Hitzeanpassung trainiert oder nicht.
Ich selbst bin eher hitzeempfindlicher und mag Wettkämpfe bei etwas kühleren Temperaturen lieber, merke aber, dass mir die Anpassung an sommerliche Temperaturen Jahr für Jahr leichter fällt – sie funktioniert einfach immer rascher.
Dennoch darf man sich bei Hitze nicht dieselben Leistungsziele für Training und Wettkampf vornehmen, wie unter Idealbedingungen. An den ersten paar heißen Tagen im Jahr kann die Pace im hochintensiven Bereich beim Laufen schon mal um 20sec/langsamer sein, am Rad auch bis zu -20% an Wattleistung. Das verringert sich über die Wochen dann jedoch deutlich – genaue Zahlen sind schwer zu nennen, zum einen ist es individuell und zum anderen natürlich auch von der absoluten Temperatur und auch Luftfeuchtigkeit abhängig. Bei durchschnittlich sommerlichen Bedingungen bleiben oft nur mehr 2-5sec/km beim Laufen als Differenz übrig, am Rad ist es kaum mehr messbar.
Wirklich wichtig ist es, sowohl beim Training als auch im Wettkampf keine Überhitzung zu riskieren, was auch schnell gefährlich werden kann. Die hilfreichste Möglichkeit ist die Wasserkühlung. Ein Kapperl beim Laufen hält die Nässe recht lange am Kopf und verhindert einen Sonnenstich. Ich laufe Intervalle im Sommer nochmal lieber als sonst auf der Laufbahn, weil man in Intervallpausen gut Kopf und Körper mit Wasser überschütten kann und man sich nicht an der Lokalisation von Brunnen unterwegs orientieren muss. Ein besonderer Luxus für wichtige Schlüsseltrainings ist, wenn man Radbegleitung mit Trinkflasche dabei hat – dann kann man sich nicht nur unterwegs kühlen, sondern auch noch das Trinken während der Belastung gut üben.
Bei der Wahl von Tageszeit und Schatten vs. Sonne konkurrieren zwei Überlegungen – man muss abwägen, ob es einem wichtiger ist, an die Hitze zu adaptieren (weil man diese z.B. in einem Wettkampf erwartet) oder ob eine etwas bessere Leistung im Training wichtiger ist. Ist das Wetter wechselhaft, so ergibt es sich ohnehin durch den Zufall, dass man mal mehr das eine, mal mehr das andere trainiert.
Entscheidet man sich für Training bei Hitze, muss man eventuelle Tempo- oder Wattvorgaben im Trainingsplan etwas vorsichtiger auslegen. Es ist nicht möglich, hier ein konkretes Maß für die Abweichung anzugeben, weil es eben auf den individuellen Sportler, die bereits erfolgte oder nicht erfolgte Adaptierung, die genauen Wetterbedingungen und auch das Trainingsprogramm ankommt. Ich versuche hier genauso wie bei windigen Bedingungen ein ähnliches Körper- und Belastungsgefühl wie bei der gewünschten Pace unter Idealbedingungen anzuvisieren. Hat man kontinuierlich vor den Hitzetagen schon in den jeweiligen Trainingsbereichen trainiert, funktioniert das meist sehr gut, solange man sich eben nicht von den Zahlen auf der Uhr irritieren und frustrieren lässt und mehr auf die jeweilige Zielsetzung fokussiert.
Möchte ich z.B. ein Schwellentraining im Bereich der maximalen Stundenleistung absolvieren, so ist diese bei Hitze entsprechend verringert, ich werde also im Training etwas langsamer sein, aber dennoch einen vergleichbaren (!) Trainingseffekt haben. Generell ist das Treffen der richtigen Intensität in diesem Tempobereich auf längeren Intervallen mit kürzeren Pausen oder in Form eines einzelnen längeren Belastungsintervalls bei Hitze für mich besonders schwierig und erfordert den einen oder anderen Anlauf. Hilfreich kann hier sein, sich weniger an Pace oder Watt, sondern mehr am Puls zu orientieren. Dafür nutzt man schon vor der Hitzeperiode den Pulsmesser beim Training – und hat somit Referenzwerte für schlechtere Bedingungen (das funktioniert auch gut für das Laufen mit Gegenwind).
Leichter ist es bei kürzeren Intervallbelastungen mit längerer Pause – hier sind die Leistungseinbußen geringer und auch die Einteilung fällt leichter, weil man nicht so sehr zur Überhitzung neigt, wie bei längerdauernden hohen Belastungen.
Im Grundlagenbereich macht die Hitze weniger Probleme und hier kann man auch gut auf den Pulsmesser zurückgreifen und einfach in den gewohnten Bereichen laufen und radeln – egal, was Pace oder Watt sagen. Hier schult man ohnehin nicht die Schnelligkeit, sondern hauptsächlich Herz-Kreislauf. Man kann auch unterwegs an einem Brunnen Halt machen und sich abkühlen und trinken. Über 90min Belastungsdauer würde ich auf alle Fälle Flüssigkeit zuführen, eventuell sogar ein Elektrolytgetränk.
Ich bin froh, wenn die Wettkampfplanung es zulässt, im Sommer vorwiegend an der Grundschnelligkeit mittels sehr kurzer Intervalle (1min-Bereich) zu arbeiten und die Tempoläufe noch etwas langsamer als Schwellentempo sein können. Ist der Saisonhöhepunkt im Hochsommer – wie in diesem Jahr bei den World Games im Juli – so kommt man nicht umhin, auch unter sehr heißen Bedingungen klassische VO2-Max-Intervalle (Training der maximalen Sauerstoffaufnahme, eine der wichtigsten Kenngrößen im Ausdauersport) mit kürzeren Pausen zu trainieren (z.B. 10mal 1km <10km-Tempo mit 90-100sec Trabpause oder am Rad 10mal 3min hart + 3min locker). Ich verkürze dann aufgrund der Zielsetzung die Intervalldauer nicht oder fast nicht, aber gönne mir eine geringfügig längere Pause (z.B. 15sec/Laufkilometer).
Manchmal ist es dennoch etwas frustrierend, was man auf der Uhr sieht. Allerdings sei erwähnt, dass Hitzetraining einen ähnlichen Effekt wie Höhentraining mit sich bringt – danach ist die maximale Sauerstoffaufnahme in der Regel etwas besser und man profitiert vom Hitzetraining somit nicht nur in Form der Verträglichkeit, sondern auch später für Bewerbe unter idealen Bedingungen. Seitdem ich das weiß, fällt es mir im Kopf viel leichter, mich bei 30°C+ auf der Laufbahn zu quälen.
Nicht zu vergessen ist das Thema Elektrolytverlust. Besonders bei sehr langen Belastungen und/oder hoher Intensität oder wenn es einfach sehr lange am Stück sehr heiß ist und man vielleicht zusätzlich auch abseits des Sports viel schwitzt, bekommen viele Athleten ein Thema mit Kalium, Magnesium, Eisen. Natrium ist direkt bei der Belastung auch oft ein Mangelelement, aber wird im Alltag bei normaler Ernährung über das Speisesalz ausreichend zugeführt.
Neigt man zu Krämpfen in der Nacht, kann man über Supplementierung mit Magnesium versuchen, eine Besserung zu erreichen, passiert es eher bei Belastung, sind oft Natrium- und Kaliummängel schuld (sollte man bei längeren Belastungen auch während des Trainings zuführen). Neigt man generell zu niedrigen Eisenwerten, so verstärkt sich das durch das viele Schwitzen noch zusätzlich und sollte engmaschiger kontrolliert werden. Wichtig aber – nicht blind präventiv supplementieren, sondern nur bei Mangel/Symptomen.
Beim Eisenmangel ist besonders bitter, dass dieser genauso wie die Hitze die maximale Sauerstoffaufnahme reduziert und sich das somit gegenseitig verstärkt. Der Grundlagenbereich nach Puls lässt sich dann manchmal kaum noch einhalten und man schwitzt noch mehr, weil man ständig zu intensiv unterwegs ist.
Prinzipiell ist das Schwitzen als natürliche Wasserkühlung aber extrem hilfreich. Bei trockener Hitze funktioniert dies deutlich besser, weshalb die feuchte Hitze das „Gefährlichste“ für unser Herz-Kreislauf-System darstellt und am Wenigsten gut kompensiert werden kann.
Menschen, die genetisch bedingt wenig schwitzen, haben im Sommer einen gravierenden Nachteil. Ihnen bleibt nur das konsequente Abkühlen mittels Wasser von außen.
Für einen guten Start ins Training und auch die Regenration danach ist ausreichendes Trinken immer, nicht nur im Sommer, wichtig. Der Bedarf ist aber bei Hitze durch das Schwitzen noch zusätzlich erhöht. Je nach sportlicher Aktivität sind das 2-5l/Tag. Faustregel: Ist der Urin wenig gefärbt, passt es, wird er dunkel, waren wir schon dehydriert. Durst tritt auch immer erst bei Dehydrierung auf, also möglichst nie soweit kommen lassen!
Hitze und im Sommer öfter aufretender Stress durch erhöhte Ozonwerte setzen auch der Lunge zu. Hat man das Gefühl, schlecht Luft zu bekommen, Lungenfunktionstest machen lassen. Ist man empfindlich auf erhöhte Ozonwerte, sollte man eine eventuell nötige Therapie mit dem Lungenfacharzt besprechen, bevor sich die Lage zunehmend verschlechtert (im Gegensatz zur normalen Hitzeadaption des Gesunden wird eine Überempfindlichkeit tendenziell immer schlechter, wenn man sie nicht behandelt). Manche reagieren mehr auf Kältereize, andere wiederum mehr auf Hitze.
Wer sich dazu entscheidet, zumindest immer wieder den hohen Temperaturen durch frühmorgendliches Training aus dem Weg zu gehen, muss dennoch auf seine Schlafstunden kommen und entsprechend früher schlafen gehen. Ansonsten wird der eigentlich gesunde Sport durch Schlafmangel zu einer ungesunden Angelegenheit. Auch auf die gewohnte Mahlzeit davor sollte keinesfalls verzichtet werden. Für mich bedeutet so eine Umstellung des Tagesrhythmus viel zuviel Stress und ich nehme die Temperaturen daher einfach, wie sich kommen – ganz so, wie im Wettkampf.
Damit die Schlafqualität nicht zu sehr unter der Hitze leidet, kann man auch hier mit Ventilator und kühlenden Tüchern viel bewirken. Denn wie zu jeder Jahreszeit heißt es auch im Sommer – ein Trainingsreiz ist nur so gut, wie die Regeneration danach!
Sandrina Illes, Spezialgebiet Sportbiomechanik – Laufanalysen und Trainingsbetreuung, Duathlon-Weltmeisterin 2018, mehrfache Staatsmeisterin im Duathlon und in der Leichtathletik, Buchprojekt „Duathlon – Laufen –Radfahren – Laufen“.
Weitere Infos: www.sandrina-illes.at
Alle Fotos: (c) www.sandrina-illes.at
Sehr spannend, vielen Dank für die guten Einblicke und Erklärungen!