Team Mitglied Christian (aka „Geordie“) berichtet über seine Tour of Watopia.
„Wie trainiert man als Ausdauersportler in Zeiten wie diesen? Klar, man kann immer noch alleine raus gehen und sein Training absolvieren. Aber durch die veränderte Betreuungssituation in Schulen und Kindergärten ist man dann doch etwas anders gefordert bzgl Kinderbetreuung etc. Also bleibt noch zu Hause trainieren. Moment, Ausdauer zu Hause? Das ist schwierig, will man nicht wie Rainer Predl stundenlang um seinen Küchentisch rennen (kann man natürlich, wenn man es aushält). Für die Radfahrer unter uns ist Rollentraining natürlich auch nichts neues, und der ein oder andere Läufer hat sogar ein Laufband bei sich zu Hause herumstehen. Aber auf eine weiße Wand starren während des Trainings ist nun auch nicht unbedingt jedermanns Sache (einige mögen auch das, aber so ist eben jeder verschieden.)
Die Plattform Zwift hat sich zur Aufgabe gemacht, hier Abhilfe zu schaffen. Seit 2014 auf dem Markt haben es sich der ehemalige Computerspiele-Entwickler und Fahrradverückte Jon Mayfield und sein Companion Eric Min der Aufgabe angenommen das Rollentraining zu gamifizieren. Und gerade in Corona-Zeiten erlebt Zwift einen riesigen Aufschwung mit einem Peakzwift (meiste Sportler gleichzeitig auf der Platform) nach dem nächsten. Auch mich hat das Zwift-Fieber gepackt. Das liegt zwar nicht ausschließlich an den Ausgangsbeschränkungen, soll jetzt aber hier nicht Thema sein.
Beginnen wir von vorne, was braucht man alles zum „zwiften“? Ein Rad, einen Rollentrainer, einen Ventilator, einen Computer und einen Account, das wars im groben schon. Die Feinabstimmung liegt dann im Prinzip am vorhandenen Rollentrainer. Ist es ein smarter, hat man es einfacher, ist es ein älteres Modell braucht man noch Sensoren, die mit dem Computer kommunizieren. Einen guten Überblick gibt es hier https://zwift.com/eu/get-zwifting
Ich fahre mit meinem normalen Rennrad auf einem Wahoo Kickr Core. Zwift läuft bei mir auf einem etwa 2 Jahre alten Lenovo Ultrabook mit Windows 10. Auch hier gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten.
Was kann man nun alles auf Zwift anstellen? Zuerst gibt es auf Zwift unterschiedliche Welten, in denen man fahren kann. Mittlerweile gibt es 8 an der Zahl, die sich immer abwechseln. Die von Zwift programmierte fiktive Insel Watopia steht immer zur Auswahl. Zusätzlich kann man noch aus 2 anderen Welten auswählen. Die Welt „Crit City“ steht nur für Wettkämpfe zur Verfügung. Wettkämpfe, der nächste Punkt. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten seine Zeit in Zwift zu verbringen. Man kann an Rennen teilnehmen, man kann an Gruppenausfahrten teilnehmen, man kann strukturierte Workouts auswählen, oder einfach so die unterschiedlichen Kurse erkunden. Je nachdem wo einem gerade der Sinn danach steht.
Mir stand der Sinn mal wieder nach einer ordentlichen 6 – 7 Stunden dauernden Belastung und was passt da besser, als ein auf mehrere Tage ausgelegtes Etappen-Event auf Zwift innerhalb eines Tages zu absolvieren. Für Zwift Einsteiger muss ich noch anmerken, dass das immer nur für kurze Zeit zum Abschluss eines solchen Events möglich ist, der sog. Make-Up Phase, die eigentlich dafür gedacht ist, verpasste einzelne Etappen nachzuholen. Denn nur in der Make-Up Phase starten alle Etappen einer Tour zu unterschiedlichen Startzeiten an einem Tag. Das mag jetzt vielleicht etwas kompliziert klingen, wird aber später sicher klar werden. Für meinen „Tag des Leidens“ habe ich mir einen Sonntag herausgesucht, und absolviert werden sollte die „Tour of Watopia“ in einem Tag. Genau handelt es sich um 5 Etappen mit etwas mehr als 200 km und 2000 virtuellen Höhenmetern. Der Start der ersten Etappe erfolgte um 9:00 Uhr. Die weiteren Etappenstarts hatte ich dann immer 2h10min später geplant. Also Etappe 2 um 11:10 Uhr, Etappe 3 um 13:20 usw. Und weil ich nicht den ganzen Tag dazu Netflix schauen wollte habe ich die Sache ins Internet gestreamt und Leute dazu eingeladen, mich virtuell zu besuchen. Das ganze habe ich dann mit Jitsi.org realisiert. Mein „Arbeitsplatz“ für diesen Tag sah dann so aus.
Auf dem großen Screen lief Zwift, am Laptop parallel dazu Jitsii. Und dann gings los. Die erste Etappe lief noch relativ gemütlich. Es ging über 54 km in einer guten Gruppe ziemlich flach dahin und in etwas mehr als 1h20min war ich dann auch schon fertig. Heißt, ich hatte 50 min um meine Trinkflasche zu füllen, ein bisschen was der verbrauchten 1000 kcal zu ersetzen und mich mental auf Etappe 2 vorzubereiten. Auch die lief noch super locker mit ihren 43 km in 1h09min. Aber natürlich wusste ich was noch vor mir lag. Die dritte Etappe hatte es nämlich ordentlich in sich. Es stand die „Alpe du Zwift“ auf dem Programm. Ein virtueller Nachbau des berühmten Anstieges hinauf nach L‘Alpe d’Huez mit etwas mehr als 1000 Höhenmetern auf knapp 13 km. Zum Glück ließen sich immer mal wieder ein paar Teammitglieder bei mir blicken um mich mental zu unterstützen und mich anzufeuern. In 1h20min war dann auch das erledigt.
Und eigentlich hatte ich nun mit etwas lockerem ausradeln gerechnet. Aber da hatte ich die Rechnung ohne die 4te Etappe und die Organisatoren der „Tour of Watopia“ gemacht. Es galt nämlich hier 5 Runden auf dem „Jungle Circuit“ zu absolvieren. Auf einem virtuellen Mountainbike. Und diese 45 km zogen sich wie Kaugummi und ich benötigte 1h42min. Was mir nach dieser Anstrengung nur knapp 30 min Regenerationszeit für die letzte Etappe einbrachte. Fast noch ein Stress. Aber ich saß rechtzeitig wieder am Rad um mein Projekt „Tour of Watopia in one day“ erfolgreich abzuschließen. Nach insgesamt 201 km und einer Nettofahrzeit von 6h53min in ziemlich genau 11h hatte ich es geschafft.
Ein Dank geht raus an alle, die mich an diesem Tag virtuell besucht haben und dazu beigetragen haben, dass ich nicht vor Langeweile am Rad eingeschlafen bin.“