Radmarathon in Mondsee

Radmarathon in Mondsee

Am 25.06.2017 haben Christoph Fuhrich und ich am Radmarathon in Mondsee teilgenommen – für uns war´s beide der erste. Ich hab deshalb dem ganzen Event mit ein wenig Sorge entgegengeblickt – vor allem der Start bereitete mir Kopfzerbrechen. Wie sich herausstellen sollte, völlig umsonst.

Wir kamen ziemlich pünktlich zu Christophs Start in Mondsee an, ich hab ihn noch angefeuert und erst dann – da ich 40min nach ihm gestartet bin, mein Rad und mich justiert. Ca. 5min vor dem Startschuss ging´s in die Startaufstellung, dort wurde ich schon das erste Mal auf mein Rad und auf mein Schnürsystem am Schuh angesprochen. Ok, so mag ich das, ich hab mich ein wenig entspannt. Weils so gut gepasst hat, hab ich mich auch gleich an die Truppe dran gehängt, von Anfang an mit den Jungs gemütlich geplaudert, ganz langsam los gefahren. Erst nach ca. 1km wurde das Tempo sukzessive erhöht, das Teilnehmerfeld war aber schon so weit auseinandergezogen, dass das problemlos ging. Leider nicht sonderlich lange, nach nicht einmal 5km rufen uns Zuseher entgegen: „Langsam, Unfall!“. Wir drosseln das Tempo, bleiben alle stehen. An der Unfallstelle angekommen sehe ich einen Jungen, kaum 12 Jahre, blutend auf der Straße liegen, 2 Meter daneben ein Mann, offensichtlich auch verletzt. Neben beiden sitzen schon ein paar Männer, einer beruhigt den weinenden Jungen, gibt ihm Wasser, ein anderer bringt Mentos. Ich weiß nicht recht was ich tun soll, mittlerweile stehen hier sicher 30 Leute, ich kann nicht mehr helfen, aber da niemand weiterfährt käme ich mir blöd vor, also bleibe ich auch. Plötzlich ruft einer: „Rettung ist am Weg!“ und als ob das ein Codewort gewesen wäre gehen alle zurück zu den Rädern und fahren weiter. Während ich weiterfahre und die Szenerie kurz Revue passieren lasse, schweift mein Gedanke zu dem WhatApp-Chat den wir vor kurzem hatten und im nächsten Moment der Gedanke: Ja, SO will ich das, HIER gehöre ich her! Schnell hat mich die Truppe von vorhin wieder eingeholt, gemütlich plaudernd geht’s weiter, bis uns beim ersten Anstieg ein überholender Bus trennt. Oben bin ich alleine, weit und breit niemand, ist mir aber relativ egal. Plötzlich tönt es von hinten: „He Veganerin! Magst zu uns kommen?“ Ich lass mich zurück fallen, bis ich auf gleich Höhe mit ihm bin, während dessen wird auch gleich die Erklärung nachgeliefert: „Radfahren ist ein Mannschaftssport, alleine kann das ziemlich mühsam für dich werden.“ Ich bemerke, dass ich beim Team von Erdinger Alkoholfrei gelandet bin, also kommt die einzige logische Antwort: „Bekomm ich dafür ein Bier?“ Er lacht und meint: „Wennst brav dabei bleibst bekommst im Ziel eines.“ Passt, der hat an Schmäh, der is ein Freund, da bleib ich. Bergab wird mir dann ein wenig mulmig – 20cm vor mir ein Rad, 20cm hinter mir und schräg links neben mir auch. Bei 50 km/h. Ich beruhige mich selbst mit dem Gedanken, dass die eh wissen was sie tun. Und dass ich eigentlich keine Ahnung hab was ich da tu, wissen sie wieder nicht.

Irgendwann zerreißt die Gruppe aber, ich fahr alleine weiter, finde wieder eine Truppe,… So geht’s absolut problemlos ca. 50km dahin, gespickt von netten Dialogen, immer wieder werde ich aufgrund meines Shirts angesprochen („Weißt du wer der stärkste Mann Deutschlands ist?“ „Patrik Baboumian“ „Bist du auch so stark?“ „Nein, aber viel schneller.“ Beide lachen und weiter geht’s.). Ich genieße die Kulisse in vollen Zügen, an den Seen entlang, nette, mitunter ganz knackige Anstiege, wunderschöne Abfahrten. Die letzte längere Abfahrt: Einfach traumhaft! Sanfte Serpentinen durch den Wald runter, plötzlich reißt der Wald auf und gibt die Sicht auf den Mondsee frei. So unbeschreiblich schön dass mir tatsächlich kurz Tränen in die Augen steigen und ich mir in meiner Euphorie einen kurzen Jubelschrei nicht verkneifen kann: „Leute, wir sind im Paradies gelandet!“ Zustimmung von allen Seiten. Leider nimmt die positive Stimmung nicht mal 1km weiter ein jähes Ende: Stau, an der Uferstraße des Mondsees. Links eine schroffe Felswand, eine schmale Straße, rechts der Mondsee. Wir bleiben alle hinter den Autos stehen, kurze Diskussion ob wir links vorbei fahren sollen, sind uns aber schnell einig, dass das zu gefährlich wäre. Also warten, trinken, ein bisschen quatschen, bis auf die Tatsache dass es mittlerweile gießt wie aus Kübeln eine ganz nette Situation. Nach ca. 5min meint dann einer, dass wir ja rechts an den Autos vorbei könnten. Ist mir recht, langsam wird mir kalt, aber ich schiebe mein Rad vorsichtshalber. Als ich nach ca. 500m endlich an der Unfallstelle ankomme durchfährts mich eiskalt: Ein Radfahrer ist augenscheinlich mit einem Auto kollidiert, Großaufgebot an Notarzt, Polizei, der Radfahrer liegt regungslos auf der Straße. Der Schock sitzt mir tief, ich nehme gewaltig Tempo raus, beschließe, die letzten 20km mit 20km/h zu fahren. Ich komme neben einer Frau zu fahren, sie sieht mich an und meint: „Mir geht’s grad gar nicht gut, das hat schlimm ausgesehen.“ Ich stimme ihr zu, wir plaudern, sie erzählt, dass es bei so großen Veranstaltungen (immerhin über 2.000 Teilnehmer) häufig zu schweren Unfällen kommt. Davon gewarnt nehme ich noch ein bisschen Tempo raus und plötzlich bemerke ich, dass wir geradewegs in ein Gewitter rein fahren, es blitzt und donnert vor uns, über uns, hinter uns. Da die Straße nun wieder gerade bzw. leicht bergauf verläuft, trete ich doch wieder ein bisschen fester in die Pedale, mich friert mittlerweile gewaltig, ich bin vollkommen durchnässt und das Gewitter macht mir Angst. Die Kilometer fliegen problemlos dahin und so komme ich – laut meiner Uhr – nach 2:30 und 751hm ins Ziel. Die offizielle Zeit liegt bei 2:38, aber klar, die hat ja auch nicht Pause gedrückt beim Warten. Egal, ich bin wahnsinnig zufrieden mit dem Ergebnis, und wirklich begeistert von dem Event. Obwohl ich schwere Stürze gesehen habe, hat es mir doch auch eines gezeigt: Wenn´s ernst wird, kommt der Mensch zuerst. Ich habe großartige Hilfsbereitschaft gesehen (Gels wurden selbstverständlich an Fremde weitergereicht, einer hat eine Banane mit mir geteilt, ich hab Wasser abgegeben), alles in allem hatte es vom Feeling her viel mehr von einer gemütlichen, gemeinsamen Radausfahrt mit völlig Fremden vor einer unbeschreiblich schönen Kulisse, als von einem Wettkampf.
Fix ist: Mondsee sieht mich wieder! Und viele viele viele andere Radmarathons auch!

Marlene